Beitragsanpassung in privaten Krankenversicherungen & RSV

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I. Einleitung

Seit jeher gilt es für viele als Privileg, privat krankenversichert zu sein. Chefarztbehandlungen, ein breit aufgestelltes und individuell zugeschnittenes Leistungsangebot, schnellere Terminvergabe und geringere Wartezeiten sind einige der Vorteile, mit denen die Private Krankenversicherungen (PKV) werben. Die Kehrseite der Medaille sind stetig steigende Beiträge, deren Berechnung ein komplexes Kalkulationsverfahren zugrunde liegt, das ohne versicherungsmathematische Kenntnisse praktisch nicht zu durchdringen ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich PKVen diesen Umstand häufig zu Nutze gemacht und Beiträge ohne Rücksicht auf die gesetzlichen Voraussetzungen angehoben haben. Die zu Unrecht gezahlten Beiträge können dann vom Versicherungsnehmer nachträglich zurückverlangt werden. Der Rechtsschutzversicherer ist im Rahmen des Vertragsrechtsschutzes verpflichtet, die Kosten für eine außergerichtliche und/oder gerichtliche Auseinandersetzung zu übernehmen. Das sehen allerdings nicht alle Rechtsschutzversicherer so, weshalb wir an dieser Stelle die wesentlichen Einwände und Probleme (gestaucht) darstellen möchten.

II. Mangelnde Erfolgsaussichten

In der Regel berufen sich Rechtsschutzversicherer auf den Einwand mangelnder Erfolgsaussichten und behaupten, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Beitragserhöhungen unwirksam sein sollten. Im Übrigen seien die Ansprüche, soweit man sie annehme, ohnehin verjährt.

1. Wirksamkeit der Beitragserhöhungen

Viele Erhöhungsschreiben werden bereits den formellen Anforderungen, die der BGH in seinen Urteilen vom 16. Dezember 2020, Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 aufgestellt hat, nicht gerecht. Häufig geben besagte Schreiben die Voraussetzungen einer Beitragserhöhung lediglich abstrakt wieder, ohne mitzuteilen, welche Rechnungsgrundlage sich im Einzelnen dergestalt verändert hat, dass eine Anpassung zulasten der Versicherungsnehmer notwendig war.

Darüber hinaus ist aber häufig auch die materielle Wirksamkeit der Beitragserhöhungen berechtigt anzuzweifeln. Denn die meisten Versicherer verwenden eine Vertragsbedingung (§ 8b Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen), die einen von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Schwellenwert festlegt. Meistens reicht es dann bereits aus, wenn die Leistungsausgaben der PKV um lediglich 5 % zum Vorjahr steigen. Diese Vereinbarung ist in so gut wie allen Bedingungswerken an eine Regelung (§ 8b Abs. 2) gekoppelt, die es der PKV ermöglicht, von der Prämienanpassung abzusehen, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist. Dass eben diese Vereinbarung gegen § 208 Abs. 1 VVG mit der Folge ihrer Unwirksamkeit verstößt, wurde bereits von einigen Gerichten entschieden, (vgl. nur Urteil des OLG Köln vom 22. September 2020, Az.: 9 U 237/19).

Die Unwirksamkeit wirkt sich aufgrund des engen Zusammenhangs mit dem herabgesetzten Schwellenwert auch auf diesen aus. Dann besteht regelmäßig Grund zur Annahme, dass der gesetzliche Schwellenwert von 10 % letztlich gar nicht überschritten wurde und die Beitragserhöhungen materiell unwirksam waren. Diese begründete Annahme hätte die PKV dann im Prozess zu entkräften - der Versicherer muss Deckung für die insofern aussichtsreiche Klage erteilen.

2. Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche (Unzumutbarkeit der Klageerhebung)

Für die Frage, ob die Ansprüche der Versicherten verjährt sind, wird regelmäßig auch entscheidend sein, ob man die Erhebung einer Klage vor den Grundsatzurteilen des BGH aus Dezember 2020 für “unzumutbar” erachten kann. Dies hätte zur Folge, dass es auf eine reine Tatsachenkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände nicht ankommt und erst die durch die Urteile geschaffene eindeutige Rechtsprechung den Verjährungsbeginn datiert mit der Folge, dass die kenntnisunabhängige Verjährung nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB (zehn Jahre) heranzuziehen ist.

Die Rechtsprechung hat sich diesbezüglich noch nicht abschließend positioniert. Zwar hatte sich der BGH selbst in seinem Urteil vom 17. November 2021, Az.: IV ZR 113/20 mit der Frage der Verjährung auseinandergesetzt. Die hier streitentscheidende Problematik der (Un-)Zumutbarkeit ließ er allerdings offen, da der dortige Kläger bereits vor den BGH-Urteilen aus Dezember 2020 die Erfüllung seiner Ansprüche gefordert hatte. Deshalb durfte der Senat davon ausgehen, dass ihm eine frühere Klage offensichtlich zuzumuten gewesen war.

Für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsschutzversicherer ist daran zu erinnern, dass bereits das Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten zu einer Deckungspflicht führen. Mangels entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung und der offenbar durch den Bundesgerichtshof anerkannten Umstrittenheit dieser Rechtsfrage – sonst hätte er sie nicht ausdrücklich “offen” gelassen - scheint die Annahme der Unzumutbarkeit jedenfalls nicht unvertretbar, sodass der Deckungsschutz (notfalls gerichtlich) durchgesetzt werden sollte.

III. Vorvertraglichkeit

Häufig läuft das Krankenversicherungsverhältnis (deutlich) länger, als die vertragliche Beziehung zur Rechtsschutzversicherung. Letztere berufen sich in diesen Fällen in der Regel auf den Einwand, vorvertragliche Risiken nicht unter Deckungsschutz stellen zu müssen. Hieraus folgt die Frage, ob man angesichts der wiederholten gleichartigen Verstöße für die Bestimmung des Rechtsschutzfalles auf die erste Beitragserhöhung abzustellen hat, oder, ob nicht erst die Weigerung der PKV, die Beiträge zurückzuzahlen, die Frage des Rechtsschutzverhältnisses entscheidet. Für Letzteres spricht das BGH-Urteil vom 4. Juli 2018, Az.: IV ZR 200/16. In diesem entschied der Bundesgerichtshof, dass es bei Ausübung eines eigentlich verfristeten aber mangels wirksamer Belehrung dennoch ausgeübten Widerrufsrechts, nicht auf den Zeitpunkt der fehlerhaften Belehrung ankommt. Zur Stützung der Auffassung, diese Rechtsprechung lasse sich auf die Beitragsrückerstattung in der PKV übertragen, kann ebenfalls das Urteil des BGH vom 3. Juli 2019, Az.: IV ZR 111/18 herangezogen werden, in dem sich der vierte Senat gegen eine “uferlose Rückverlagerung des Rechtsschutzfalls” durch Anknüpfung an die erste adäquate Ursache ausgesprochen hat.

IV. Mutwilligkeit

Schließlich wenden Rechtsschutzversicherer gelegentlich ein, das Vorgehen gegen die PKV werfe ein grobes Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen auf, weil allein anfallende Gutachterkosten die geltend gemachte Forderung übersteigen werden. Dieser Ablehnungseinwand verfängt schon deshalb nicht, weil kaum prognostiziert werden kann, wie hoch die Gutachterkosten im Einzelfall sind. Die Ablehnungen enthalten in der Regel auch keine (valide) Bezifferung der erwarteten Gutachterkosten.

Zudem sei aus Sicht der Versicherer nicht ersichtlich, weshalb gerade zum jetzigen Zeitpunkt geklagt werden müsse und nicht der Ausgang bereits anhängiger Verfahren abgewartet werden könne. Höchst fraglich ist bereits, wie der durchschnittliche Versicherungsnehmer aus eigener Kraft einen Überblick über anhängige Verfahren erlangen und gleichzeitig einschätzen können soll, inwiefern sich aus den Verfahren tatsächlich Rückschlüsse auf sein individuelles Begehren ziehen lassen. Überhaupt spricht viel dafür, dass eine Warteobliegenheit mit den Interessen des Versicherungsnehmers nicht vereinbar ist. Hierbei ist auf das Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 27. Oktober 2017, Az.: E-21/16 zu verweisen, nach dem die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt ein Gerichtsverfahren angestrengt werde, nicht Aufgabe des Versicherers sei. So sieht es auch das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21. September 2017, Az.: I – 4 U 87/17.

V. Fazit

Die Beurteilung der Rechtslage in Beitragserstattungsverfahren ist komplex. Die Komplexität gereicht aber in gewisser Hinsicht zum Vorteil des Versicherungsnehmers, da der PKV im Hinblick auf die materielle Wirksamkeit der Beitragserhöhungen eine sekundäre Darlegungslast zukommt. Schon deshalb können auch die hinreichenden Erfolgsaussichten nicht versagt werden (Stichwort: Keine Vorverlagerung schwieriger Tatsachen- oder Rechtsfragen in den Deckungsstreit).

Auch die weiteren Einwendungen der Rechtsschutzversicherer scheinen eher bloße Unterfütterung der Ablehnung selbst zu sein und lassen sich mit guten Argumenten entkräften.