BGH: Keine erzwungene Urteilsabwicklung durch Titelschuldner

von

Mit der Entscheidung des BGH (Urteil vom 25.07.2022, Az.: VIa ZR 485/21) findet eine weitere Rechtsfrage im Komplex des Abgasskandals eine höchstrichterliche Antwort – auf die einige Kollegen und Kolleginnen gewartet hatten: 

Kann der verurteilte Automobilhersteller von sich aus auf eine Abwicklung des Urteils beharren? 

Zum Sachverhalt 

Der nun beklagte Fahrzeugerwerber erwirkte ursprünglich ein Urteil, in dem die jetzt klagende Fahrzeugherstellerin zur Zahlung von 420,00 EUR (nebst Zinsen) Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt worden war. Daraufhin überwies die Fahrzeugherstellerin den tenorierten Urteilsbetrag, ohne, dass von Seiten des Erwerbers eine Aufforderung dahingehend ausgesprochen oder gar die Zwangsvollstreckung angestrengt wurde.  

Die ursprünglich beklagte Fahrzeugherstellerin erhob nun Klage gegen den Erwerber auf Herausgabe des (Zug-um-Zug zu leistenden) Fahrzeuges. Hiermit hatte sie (im Folgenden: die Klägerin) erstinstanzlich auch Erfolg.
Der Fahrzeugerwerber (im Folgenden: der Beklagte) veräußerte während des laufenden Berufungsverfahrens das Fahrzeug weiter und erstattete auch den Betrag (420,00 EUR) nicht an die Klägerin zurück.
Als Reaktion auf den mitgeteilten Weiterverkauf stellte die Klägerin ihren Antrag um und verlangte die Herausgabe des Veräußerungserlöses in Höhe von 5.500,00 EUR. Auch das Berufungsgericht bejahte einen Anspruch der Klägerin und führte insoweit aus, dass sich aus dem vom hier Beklagten erwirkten Titel (zumindest nach vollständiger Erfüllung des Schadensersatzanspruches, hier: Zahlung von 420,00 EUR) auch ein eigener Anspruch auf Herausgabe der Zug-um-Zug-Leistung ergäbe. Dieser bestehe nunmehr – nach Weiterveräußerung des Fahrzeugs – darin, dass der Verkaufserlös nach § 285 BGB i. V. m. § 255 BGB analog herauszugeben sei. 

Die Entscheidung 

Dieser Entscheidung folgte der Bundesgerichtshof (VIa ZR 485/21) nicht. In Fällen wie dem Vorliegenden stehe dem Schädiger (der Klägerin) als Titelschuldner kein eigener Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung beschränkten lediglich die Schadensersatzanspruch des Geschädigten, vermitteln der Titelschuldnerin hingegen keinen eigenen Anspruch. Denn Sinn und Zweck dieser Vorteilsausgleichung erfordere, so der BGH, ausschließlich die Begrenzung des Schadensersatzes in seinem Umfang – nicht hingegen jedoch die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses mit wechselseitigen Leistungspflichten. 

Diese bereits zuvor vom BGH vertretene Ansicht, gelte auch in der hiesigen Fallgestaltung. Eine abweichende Entscheidung vermögen auch die Regelungen des Annahmeverzugs oder die die Vollstreckung betreffenden §§ 756, 765 ZPO nicht zu begründen. So seien die §§ 293 ff. BGB nicht geeignet, ein mit wechselseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten oder gar synallagmatisches Schuldverhältnis zu begründen. Auch ist der Vollstreckungsschuldner – anders als das Berufungsgericht argumentiert hatte – im Falle einer Vollstreckung nach §§ 756, 765 ZPO nicht rechtlos gestellt, wenn er selbst keinen Anspruch auf die Zug-um-Zug-Leistung hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Schädiger den vorgesehenen Urteilsbetrag freiwillig gezahlt hat, denn insoweit stehe ihm nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Bereicherungsanspruch zu, wobei weder die §§ 293 ff. BGB noch die §§ 756 765 ZPO einen Rechtsgrund darstellten.  

Hinsichtlich einer möglichen Rückzahlung der bereits ausgekehrten 420,00 EUR hatte der BGH nicht zu entscheiden, da ein etwaiger bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht streitgegenständlich war. 

Anmerkungen 

Die Entscheidung ist im Ergebnis vollends überzeugend. Der BGH erläutert nachvollziehbar, dass es der verurteilten Schädigerin an einer Anspruchsgrundlage fehlt, um die Zug-um-Zug-Leistung selbst fordern zu können. Es obliegt allein dem Fahrzeugkäufer als Geschädigten zu entscheiden, ob er die Urteilsabwicklung tatsächlich wünscht oder aufgrund eines geringen austitulierten Betrages darauf verzichtet. Die Titelschuldnerin ist weder Herrin der Zwangsvollstreckung noch kann sie diese durch faktisches Handeln herbeiführen.  

Zahlt sie den austenorierten Betrag ohne Aufforderung, kommt ihr aber ggf. Bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch zu Gute.