LG Düsseldorf: Anforderungen hinreichende Erfolgsaussichten Dieselskandal

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Zum Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer verfolgte Ansprüche gegen die Daimler AG, aufgrund des Dieselabgasskandals und stellte – nach klageabweisendem Urteil in der ersten Instanz – unter dem 17. Oktober 2021 eine Deckungsanfrage für das Berufungsverfahren. Der Versicherer lehnte die Gewährung von Rechtsschutz für das Berufungsverfahren wegen fehlender Erfolgsaussichten ab.

Der Versicherer verweigerte auch im Deckungsprozess trotz des am 23. November 2021 übersandten Stichentscheides weiterhin den Deckungsschutz und sprach letzterem eine Bindungswirkung wegen offenkundiger Verkennung der Sach- und Rechtslage ab. Dies begründete er damit, dass das Vorhandensein eines Thermofensters oder einer sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperatur-Regelung nicht für die Begründung eines deliktischen Schadensersatzanspruches ausreiche. Der Versicherungsnehmer sei insbesondere verpflichtet, greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sittenwidrigen unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Im Übrigen sei der Versicherungsnehmer nicht auf das angefochtene Urteil eingegangen und/oder habe Rechtsfehler vorgetragen. Auch die formellen Anforderungen an das Gutachten seien nicht erfüllt.

 

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Düsseldorf überzeugten die Argumente der Beklagten nicht. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Gewährung von Rechtsschutz wegen fehlender Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens abzulehnen. Denn nach den entsprechend anzusetzenden Kriterien für Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO war die Berufung des Klägers hinreichend aussichtsreich.

Es dürften nach dem Landgericht (richtigerweise) keine überspannten Anforderungen an die Erfolgsaussichten gestellt werden. Vielmehr genügt es, dass das Gericht den Standpunkt der Partei für vertretbar oder von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Insbesondere darf das Erfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vom Hauptsacheverfahren in den Deckungsprozess verlagert wird.

Im Hinblick auf die Möglichkeit der Beweisführung genüge es für die hinreichende Erfolgsaussicht grundsätzlich, dass eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht käme und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der bedürftigen Partei ausgeht.

Im Dieselskandal seien greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht erst dann gegeben, wenn das Kraftfahrtbundesamt eine Rückrufaktion angeordnet habe.

Inwiefern die Erfolgsaussichten dabei von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abhängen (C-100/21), vermochte das Gericht nicht abschließend zu entscheiden. Die Einflüsse der europarechtlichen Richtlinien unterlägen einer dynamischen Entwicklung, deren Auswirkungen auf die nationale Rechtsprechung nicht im Deckungsprozess zu entscheiden seien.

 

Anmerkungen

Die Entscheidung überzeugt. Das Landgericht zieht den bei einigen Versicherern fest verwurzelten Zahn, im Deckungsprozess wie der eigentliche Hauptsachegegner gegenüberzutreten. Gelegentlich verlangen die Gerichte in Deckungsstreitigkeiten gar Beweisangebote aus dem Hauptsacheprozess (etwa Zeugenbeweise der handelnden Personen bei den Automobilherstellern oder Sachverständigengutachten am streitgegenständlichen Fahrzeug). Solche Verfügungen bzw. Hinweise muten mit Blick auf § 114 ZPO doch sehr seltsam an.

Denn der Deckungsprozess darf (wie das Landgericht Düsseldorf prägnant darlegt) nicht dazu ausgenutzt werden, eine „vorläufige“ Hauptsacheentscheidung herbeizuführen. Für die Gewährung von Deckungsschutz ist nur erforderlich, dass die Rechtsansicht des Versicherungsnehmers vertretbar erscheint. Nicht ausgeschlossen ist, dass das Hauptsachegericht dennoch anders entscheidet. Dieses Risiko geht immer zu Lasten des Versicherers und darf nicht treuwidrig auf den Versicherungsnehmer verlagert werden.