OLG Karlsruhe: Deckungsschutz für Wirecard-Anleger

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Ein spannendes und praxisrelevantes Urteil sprach das OLG Karlsruhe am 7. April 2022, Az: 12 U 285/21 (BeckRS 2022, 7282) im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung von Ansprüchen aufgrund des Wirecard-Skandals.

Zum Fall

Der Kläger begehrte von seinem Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Rechtsverfolgung von Ansprüchen gegen die Vorstände „Dr. B.“, „M.“ sowie die „E. GmbH Wirtschaftprüfungsgesellschaft“ wegen des Erwerbs von Wirecard-Aktien. Die RSV verweigerte den Deckungsschutz wegen vermeintlich fehlender Erfolgsaussichten, Mutwilligkeit und weil der Kläger die bereits anhängigen Verfahren in gleicher Sache abzuwarten habe (Warte- und Schadensminderungsobliegenheit). Das erstinstanzliche Gericht (LG Mannheim, BeckRS 2021, 49955) verurteilte den Versicherer antragsgemäß.

Zur Entscheidung

Das OLG Karlsruhe bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, wonach Deckungsschutz zu erteilen ist und wies die Berufung des beklagten Versicherers zurück.

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten stellte das OLG klar, dass die Ansicht des Klägers – ihm stünden Ansprüche gegen die Anspruchsgegner aus § 826 BGB zu – zumindest vertretbar sei. Hinsichtlich der entsprechenden Tatbestandsmerkmale habe der Kläger ausreichend vorgetragen. Auch stehe es den Erfolgsaussichten nicht entgegen, dass das LG München Klagen anderer Anleger bereits abgewiesen habe, denn das OLG München hat in einem Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass eine Beweisaufnahme notwendig sein dürfte. Im Hinblick auf die ungeklärten Rechtsfragen bedarf es im Deckungsprozess keiner Entscheidung, denn diese sind allein im Hauptprozess zu klären.

Das Berufen der Beklagten auf Mutwilligkeit blieb ebenfalls ohne Erfolg. Dem Kläger sei ein Abwarten auf Entscheidungen in anderen (gleichgelagerten) Fällen schon deshalb nicht zuzumuten, weil hier die Gefahr einer Insolvenz besteht, sodass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der zügigen Titulierung und Vollstreckung seiner Ansprüche hat. Soweit die Beklagte die Mutwilligkeit damit zu begründen versuchte, das Vermögen der Anspruchsgegner würde ggf. nicht ausreichen, um die Anleger zu befriedigen, habe sie trotz der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast weder substantiiert vorgetragen noch Entsprechendes belegt.

Im Hinblick auf eine etwaige Warteobliegenheit des Klägers, den Ausgang anderer Verfahren abzuwarten, hielt das OLG fest, dass eine solche sich zunächst nicht aus § 17 ARB ergebe, da die Regelung unwirksam sei (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.08.2019, Az: IV ZR 279/17). Eine solche ergebe sich aber auch nicht aus § 82 VVG, da es dem Kläger schon aufgrund einer möglichen Verjährung seiner Ansprüche und der nicht auszuschließenden Insolvenz nicht zugemutet werden könne andere Verfahren abzuwarten.

Anmerkungen

Hinsichtlich Erfolgsaussichten nimmt das OLG Karlsruhe – wie schon vielfach – eine mustergültige Prüfung vor. Vollkommen richtig stellt es (nahezu) ausschließlich auf den Vortrag des Klägers im Hinblick auf die relevanten Tatbestandsmerkmale ab. Sodann wird berechtigterweise aufgezeigt, dass die abweisende Entscheidung des LG München in einem vergleichbaren Fall den Erfolgsaussichten nicht entgegensteht, insbesondere weil das OLG München eine Beweisaufnahme für erforderlich erachtete – was an sich schon für die Annahme von Erfolgsaussichten ausreicht.

Leider ließ sich das OLG nicht dazu verleiten, die weiterhin unbeantwortete Frage, inwiefern § 82 VVG in Form eines Weisungsrechts auf Rechtsschutzversicherungsverträge überhaupt anwendbar ist, zu beantworten. Im Hinblick auf die Argumentation des Gerichts, ist es aber nachvollziehbar, dass die Fragestellung offengelassen wurde.

Insgesamt überzeugt das Urteil und erinnert an die ersten Auseinandersetzungen mit RSVen im Abgasskandal. Dort wurden von den RSVen nahezu identische Argumente vorgebracht, die schon damals ganz mehrheitlich von der Rechtsprechung mit entsprechender Begründung abgelehnt wurden.

 

Es bleibt spannend...