AG Rockenhausen (Az.: 7 C 17/23): RSV muss Deckung für Lebensversicherungs-Rückabwicklung übernehmen

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Am 17. September 2024 entschied das Amtsgericht Rockenhausen zugunsten eines Versicherungsnehmers, der von seiner Rechtsschutzversicherung die Deckungszusage zur außergerichtlichen und erstinstanzlichen Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen aus einer Kapitallebensversicherung forderte. Das Gericht verurteilte die Versicherung zur Übernahme der Prozesskosten und setzte damit ein klares Signal für den Versicherungsschutz bei Rückabwicklungsansprüchen.

Ausgangslage und Streitpunkt

Der Kläger ließ über einen Dienstleister seine bestehenden Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung prüfen, die im Jahr 2003 abgeschlossen wurde. Ziel war es, den Anspruch auf einen höheren Rückkaufswert geltend zu machen. Nachdem die Lebensversicherung eine Auszahlung verweigerte, wandte sich der Kläger an seine Rechtsschutzversicherung. Diese lehnte jedoch die Übernahme der Kosten ab und argumentierte, dass aufgrund der Einschaltung eines Drittanbieters sowie des Zeitpunktes der Mandatierung kein Deckungsanspruch bestehe.

Entscheidung des Gerichts: Die wichtigsten Gründe

In seinem Urteil stellte das Amtsgericht Rockenhausen fest, dass die Rechtsschutzversicherung verpflichtet ist, die Kosten für das außergerichtliche und gerichtliche Vorgehen zu übernehmen. Das Gericht begründete dies wie folgt:

  1. Deckungspflicht durch die Rechtsschutzversicherung: Die Versicherung wurde zur Kostenübernahme verpflichtet, da der Kläger durch seinen Versicherungsvertrag grundsätzlich auch Ansprüche aus Rückabwicklungsansprüchen gedeckt sieht. Das Gericht hob hervor, dass dies den Bedingungen des Versicherungsvertrags entspricht und die Deckungspflicht hier greift.
  2. Mandatierung über Drittanbieter ist unerheblich: Ein zentraler Streitpunkt betraf die Frage, ob der Kläger seinen Rechtsanwalt über einen Drittanbieter beauftragen durfte. Die Versicherung argumentierte, dass diese Form der Mandatierung den Deckungsanspruch aufhebt, da der Anwalt über eine Plattform engagiert wurde, die lediglich organisatorisch unterstützt. Das Gericht betonte jedoch, dass die Rolle des Dienstleisters auf die Bereitstellung einer Plattform beschränkt ist und der eigentliche Mandatsvertrag direkt zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Rechtsanwalt zustande kam. Somit stellte das Gericht klar, dass die Unterstützung eines Drittanbieters den Anspruch des Klägers auf Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.
  3. Zeitpunkt der Mandatierung und Eintritt des Versicherungsfalls: Die Versicherung versuchte auch mit dem Argument zu überzeugen, dass die Mandatierung des Anwalts bereits vor dem Eintritt des Rechtsschutzfalls erfolgte und die Deckung daher ausgeschlossen sei. Das Gericht wies diesen Einwand zurück und entschied, dass eine Mandatierung vor Eintritt des Rechtsschutzfalls zulässig ist, wenn fest mit einer Ablehnung durch den Versicherer gerechnet werden kann. Da der Kläger damit rechnen konnte, dass die Lebensversicherung den Rückabwicklungsanspruch ablehnen würde, lag ein Rechtsschutzfall vor, der die Deckungspflicht auslöst.
  4. Verzicht der Versicherung auf den Einwand mangelnder Erfolgsaussichten: Ein weiterer Punkt der Urteilsbegründung betraf einen früheren Verzicht der Versicherung auf den Einwand mangelnder Erfolgsaussichten, der in der schriftlichen Kommunikation der Versicherung dokumentiert wurde. Das Gericht entschied, dass dieser Einwendungsverzicht auch für das erstinstanzliche Verfahren bindend ist. Da die Versicherung bereits vorgerichtlich auf diesen Einwand verzichtet hatte, konnte sie sich im Deckungsprozess nicht mehr darauf berufen.
  5. Einzelfallbewertung und Bedeutung der Erfolgsaussichten: Das Gericht stellte klar, dass bei einem Deckungsprozess keine überzogenen Anforderungen an die Erfolgsaussichten gestellt werden dürfen. Fragen nach einem möglichen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder eine mögliche Verwirkung müssen im Hauptsacheverfahren und nicht bereits im Deckungsprozess geklärt werden. Eine zu strenge Auslegung der Erfolgsaussichten würde die Rechte des Versicherungsnehmers unangemessen einschränken. Solange der Sachverhalt nach den Behauptungen des Versicherungsnehmers plausibel und nachvollziehbar erscheint, bestehen hinreichende Erfolgsaussichten.

Auswirkungen des Urteils und Relevanz für Versicherungsnehmer

Dieses Urteil stärkt die Rechte der Versicherungsnehmer gegenüber ihrer Rechtsschutzversicherung und stellt klar, dass eine formale Einwendung durch die Versicherung bei klar gegebenen Sachlagen nicht ausreicht, um die Deckungspflicht zu umgehen. Die Entscheidung bestätigt, dass die Nutzung eines Drittanbieters zur Einholung von Rückabwicklungsansprüchen den Anspruch des Versicherten auf Rechtsschutz nicht beeinträchtigt, solange der eigentliche Mandatsvertrag direkt zwischen Anwalt und Mandant geschlossen wird.

Die Kernaussage dieses Urteils lautet: Rechtsschutzversicherungen können sich nicht auf formale Einwände berufen, wenn das Mandatsverhältnis den vertraglichen Deckungsschutz begründet. Für die Praxis bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer sich auf ihre Rechtsschutzversicherungen verlassen können, auch wenn sie einen Drittanbieter beauftragen, um ihre Interessen durchzusetzen. Das Urteil unterstreicht zudem, dass sich Versicherungen in der Deckungsfrage auch nicht auf bereits bekannte formale Einwände berufen können, wenn zuvor ein Verzicht dokumentiert wurde.

Diese Entscheidung hat Signalwirkung für die Rechtsschutzversicherungen und für alle Versicherungsnehmer, die im Rahmen ihrer Lebensversicherung auf Rückzahlungen oder andere Ansprüche hoffen. Versicherungen müssen im Deckungsprozess die Deckungspflicht sorgfältig prüfen und können sich nicht allein auf formale Einwände stützen, wenn der Versicherungsfall aus objektiver Sicht gegeben ist.