LG Köln (Az.: 24 O 77/23): Verpflichtung zur Deckung von Schadensersatzansprüchen nach Covid-19-Impfung
In dem aktuellen Urteil des Landgerichts Köln vom 20.06.2024 wurde die Deckungspflicht einer Rechtsschutzversicherung im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen aufgrund möglicher Impfschäden bestätigt, allerdings mit einer Begrenzung der Summe. Der Kläger, der gegen den Hersteller eines Covid-19-Impfstoffs Schadensersatz geltend machen wollte, erlitt nach der Impfung schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden. Diese reichten von einem Zusammenbruch mit Kopfverletzung unmittelbar nach der Impfung bis hin zur Diagnose von Epilepsie, was zu erheblichen Einschränkungen in seinem privaten und beruflichen Leben führte. Die beklagte Versicherung verweigerte ursprünglich den Deckungsschutz mit der Begründung, dass die Ansprüche keine hinreichende Erfolgsaussicht hätten.
Sachverhalt und Ausgangssituation
Der Kläger ließ sich am 14. Oktober 2021 gegen Covid-19 mit dem Impfstoff Spikevax von Moderna Biotech Spain impfen. Noch am selben Tag kam es zu einem Zusammenbruch mit schweren körperlichen Symptomen, darunter Zittern und Bewusstlosigkeit. Dieser Vorfall führte zu einer sofortigen Aufnahme ins Krankenhaus. Wenige Monate später erlitt der Kläger einen weiteren Anfall und wurde letztlich mit Epilepsie diagnostiziert, was in der Folge zu einem Fahrverbot für PKW und Einschränkungen im Berufsleben führte.
Der Kläger machte daraufhin Schadensersatz in Höhe von 150.000 Euro gegenüber dem Impfstoffhersteller geltend. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers verweigerte jedoch den Deckungsschutz und argumentierte, dass keine Erfolgsaussichten für die angestrebte Rechtsverfolgung bestünden. Um Deckung zu erhalten, reichte der Kläger schließlich Klage gegen die Versicherung ein und forderte die Feststellung der Deckungspflicht für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Das Landgericht Köln entschied, dass die Rechtsschutzversicherung grundsätzlich zur Übernahme der Deckungskosten für die Durchsetzung der Ansprüche gegen den Impfstoffhersteller verpflichtet sei. Die Begründung basierte auf folgenden wesentlichen Aspekten:
- Bestehende Erfolgsaussichten für Schadensersatzansprüche: Das Gericht bewertete die Erfolgsaussichten des klägerischen Begehrens als hinreichend. Demnach hat der Kläger das Recht, gegen den Impfstoffhersteller Ansprüche geltend zu machen, da die von ihm vorgelegten Informationen zu seinen Gesundheitsbeschwerden ausreichend waren, um eine Erfolgsaussicht in einem Hauptsacheverfahren anzunehmen.
- Erhebliche gesundheitliche Einschränkungen: Das Gericht stellte fest, dass die durch den Impfstoff angeblich verursachten Gesundheitsbeschwerden des Klägers, insbesondere die Epilepsie, dessen Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Der Kläger argumentierte, dass er ohne diese Nebenwirkungen sein Leben unverändert hätte fortführen können und dass die Einschränkungen erheblich seien. Das Gericht folgte dieser Darstellung und befand, dass die schweren gesundheitlichen Folgen eine hinreichende Begründung für die Klageansprüche darstellen.
- Deckungszusage bis zu einer Summe von 80.000 Euro: Das Gericht schränkte den Deckungsanspruch jedoch auf eine Summe von 80.000 Euro ein. Der ursprünglich vom Kläger geforderte Betrag von 150.000 Euro für Schmerzensgeld wurde als zu hoch eingestuft, insbesondere da andere vergleichbare Fälle weitaus geringere Summen für ähnliche Beeinträchtigungen zuerkannt bekamen. Das Gericht orientierte sich an Urteilen mit ähnlicher Symptomatik und legte fest, dass 80.000 Euro eine angemessene Obergrenze für das Schmerzensgeld darstellen.
- Keine überspannten Anforderungen an Erfolgsaussichten: Das Gericht stellte klar, dass im Rahmen eines Deckungsschutzverfahrens nicht dieselben Anforderungen an die Erfolgsaussichten gestellt werden dürfen wie im Hauptsacheverfahren. Die Erfolgsaussichten gelten dann als hinreichend, wenn der Standpunkt des Versicherungsnehmers vertretbar ist und die Tatsachenbehauptungen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit aufweisen. Der Vortrag des Klägers wurde als ausreichend substantiiert anerkannt.
- Berücksichtigung des gesundheitlichen Vorzustands: Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entscheidungsfindung war der gesundheitliche Vorzustand des Klägers. Die Versicherung führte verschiedene Vorerkrankungen des Klägers, darunter Bluthochdruck und gelegentliche Magen-Darm-Beschwerden, als mögliche alternative Ursachen für die Epilepsie an. Das Gericht befand jedoch, dass diese Vorerkrankungen das Risiko für die epileptischen Anfälle nach der Impfung nicht hinreichend erklären könnten, sodass ein Zusammenhang mit der Impfung plausibel bleibe.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern und zeigt, dass Rechtsschutzversicherungen ihre Deckungspflicht auch dann wahrnehmen müssen, wenn ein Anspruch möglicherweise komplexe medizinische Zusammenhänge aufweist. Die Entscheidung des Landgerichts Köln bedeutet, dass Versicherungen sorgfältig abwägen müssen, bevor sie einen Deckungsschutz verweigern, insbesondere wenn es um Gesundheitsansprüche im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen geht.
Das Urteil ist auch relevant für Versicherungsnehmer, die nach einer Impfung gesundheitliche Beschwerden entwickelt haben und ihre Ansprüche gegen den Impfstoffhersteller durchsetzen wollen. Es verdeutlicht, dass eine Rechtsschutzversicherung nicht allein aus formalen Gründen ablehnen kann, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit nach objektiven Maßstäben zumindest als plausibel angesehen werden kann.
Durch die Entscheidung werden Versicherungen stärker in die Pflicht genommen, die Erfolgsaussichten gründlich zu prüfen und ihre Versicherungsnehmer zu unterstützen, wenn die Faktenlage eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg aufweist. Die Festlegung einer Deckungsgrenze von 80.000 Euro zeigt zudem, dass Gerichte die Höhe von Schmerzensgeld auf Grundlage vergleichbarer Fälle und der individuellen Umstände des jeweiligen Falls differenziert beurteilen.
Fazit
Das Urteil des Landgerichts Köln setzt wichtige Maßstäbe im Bereich des Rechtsschutzes für Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Impfschäden und zeigt, dass Versicherer in diesen komplexen medizinischen Fällen die Verpflichtung haben, ihren Versicherten den Zugang zu gerichtlicher Unterstützung nicht zu verwehren. Die Beschränkung der Deckungssumme auf 80.000 Euro verdeutlicht zugleich, dass Gerichte eine genaue Prüfung der Schadenshöhe vornehmen, um eine gerechte Entschädigung sicherzustellen.